#52in23 Woche 9 der Schreibchallenge im Jahr 2023
Ein bisschen gemogelt vielleicht, aber alles ist erlaubt – das ist das Schöne am Bloggen und an #52in23. Taucht mit ein in einen Bericht aus vergangenen Zeiten, als zwei kleine Piraten mit einem Elefant das Mittelmeer unsicher machten.
9. Stoßgebete im Sturm
Zunächst fing alles ganz harmlos an. Einmal hatten Hakan und ich einen Törn ohne die Kinder unternommen, die für diese Zeit bei den Großeltern in Istanbul blieben. Diese Reise hatte uns noch weiter nach Westen geführt, vorbei an Finike und Myra, der Heimat des legendären Bischofs Nikolaus, nach Kekova. Wir waren verzaubert von dieser Gegend mit der vorgelagerten Insel und einer Unzahl von Buchten, von denen eine reizvoller als die andere war. Dazu ein kleiner Ort am Fuße einer mittelalterlichen Burgruine, zwar auf dem Festland gelegen, aber nur per Schiff zu erreichen, pittoreske Überreste lykischer Kultur, völlig wettergeschützte Ankerplätze und wunderschöne Badeplätze.
Bei der Einfahrt in dieses Revier bekamen wir erst einmal einen gehörigen Schrecken. Eines der einheimischen hölzernen Motorboote nahm nämlich direkten Kurs auf uns, und selbst Hakan wollte einen Überfall neuzeitlicher Piraten nicht ganz ausschließen. Letztlich erwies sich der Besucher auch fast als Freibeuter der Meere. Zwar trachtete er uns nicht nach dem Leben, wohl aber nach unserem Geld, denn mit gehöriger Überredungskunst wollte er uns dazu verführen, abends in seinem Restaurant und nicht etwa in dem eines Konkurrenten einzukehren.
Nicht nur die Männer der Region waren geschäftstüchtig im Vermarkten ihrer Idylle, die Frauen standen ihnen nicht nach. Als wir eine halbe Stunde später unsere obligatorische Ankerplatzsichtungsrunde drehten, entgingen wir nur knapp dem Zusammenstoß mit einem Ruderboot, dessen Insassinnen uns von Häkelkanten gesäumte Kopftücher anpriesen.
Wir konnten ihnen nicht lange böse sein. Für Schiffsreisende ist Kekova ein Magnet, auf der Landseite ist die nächste Stadt weit entfernt, große Hotels fehlen, und so versucht man eben, wenigstens ein klitzekleines Stückchen vom Wohlstand der fremden Gäste einzuheimsen.
Wir verbrachten drei Tage in einer kleinen, abseits gelegenen Bucht, in die sich nur unser flacher Elefant so weit hineinwagen konnte. Abends ruderten wir zum einzigen Restaurant in der Nähe und leisteten uns den Luxus eines Abendessens ohne Kinder. Das hieß ein Essen ohne Sorge um verschüttete Gläser oder zerbrochene Teller und vor allem ohne bohrende Kinderfragen, die zu beantworten unseren Wissenshorizont meistens überschritt.
Das junge Mädchen, das uns das Essen brachte, freute sich, dass sie sich mit Hakan in ihrer Muttersprache unterhalten konnte. Sie lauschte begierig seinen Berichten aus einer Welt, die außerhalb ihrer Vorstellung lag. Außer dem Restaurant kannte sie nur das eine halbe Motorbootstunde entfernte Myra, in dem ihre Familie in den Wintermonaten wohnte. Man merkte ihr den Stolz darüber an, dass wir ihr so viel Aufmerksamkeit schenkten. Sonst war sie nur gewohnt, herumgescheucht zu werden. Bei unserer Abreise schenkte sie mir ein Tuch mit selbst gehäkelter Muschelkante.
Zu den romantischen Buchten um Kekova wollten wir nun auch mit den Kindern fahren, um ihnen endlich die Orte zu zeigen, von denen wir so schwärmten.
Wir kamen nie an.
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